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Die Toten auf dem Friedhof

In letzter Stunde, bevor wir das Heimatdorf verlassen, widmen wir noch einmal einen letzten Gang unseren Toten. War es nicht am Gründonnerstag 1914, als der neue Friedhof feierlich eingeweiht wurde? Bei Gelegenheit der Eschverkoppelung war das Grundstück zur Verfügung gestellt worden. Mit lebenden Hecken ringsum, vorne mit einer Mauer eingefasst, im Innern mit vielen Zierbäumen bepflanzt, ist dieser Friedhof eine würdige, schöne Ruhestätte unserer Toten. Die allermeisten Gräber tragen Gedenksteine, und alle Gräber sind gut gepflegt. Wie manche Kanne Wasser ist wohl aus dem benachbarten „Stöffen sien“ Hause getragen worden, um auf den sandigen Grabhügeln diese Blumenpracht zu erhalten! Die Wahner hatten Freude an der Pflege ihres Friedhofes. Sie hatten Liebe zu ihren Toten. Auf dem kleinen Begräbnisfeld der Kinder ruhen die glücklichen Kleinen, die so schnell die Erde mit dem Himmel vertauschen durften! Auf ihren Gräbern wachen die weißen Engelstatuetten.

Himmlischer Friede liegt über diesem Fleckchen Erde ausgebreitet. Das erste Feld der Erwachsenengräber ist ganz besetzt. War links nicht „Meiskens Oma“ die erste, deren Leichnam zu diesem neuen Friedhof getragen wurde? Liegen dort rechts nicht zwei Kriegergräber: von Bernard Möhlenkamp, genannt Sprenkels, und Heinrich Jordan, genannt Küswilken? Auf dem zweiten Gräberfeld steht das große Friedhofskreuz. Unser Erlöser und Heiland schaut auf alle Gräber hernieder. Links und rechts liegen die Grabplatten unseres verehrten Lehrers B. Kramer und Fräulein Gesina Jansen, die das große Kreuz stifteten. Viel hat Lehrer Kramer in seinem langen Wirken in Schule und Gemeinde für unser Dorf getan. Daneben das Grab der Wahner Lehrerin Franziska Egberts, die von solcher Anhänglichkeit an die Wahner Jugend erfüllt war, daß sie diese Grabstätte dem Erbbegräbnis ihrer Familie vorzog. Sie wurde von den Wahnern viel verehrt und geliebt. An ihrem Grabe ist von ihren Schülern und Schülerinnen viel gebetet worden.

Vor dem Friedhofskreuz ist das Grab unseres seligen Pfarrers Johannes Barenkamp, den die älteren Wahner nie vergessen werden. Er war uns das Vorbild eines selbstlosen und frommen Christen. Er war uns Priester und Seelsorger, der sich in Geduld und Liebe um seine Schäflein gemüht hat. Der auch in seiner Klugheit die Wege fand, sie zu führen. Und er war den Wahnern nicht nur Seelsorger, sondern auch Berater und Helfer in allen Lebenslagen für den einzelnen und für das ganze Dorf. Fast 25 Jahre hatte der Verstorbene in Wahn gewirkt, als er am 21. März 1919 starb. Da wir an seinem Grabe stehen, steigt das, was er an selbstlosem priesterlichen und sozialem Wirken für uns tat, wieder vor unserem Geiste auf, am stärksten aber seine edle priesterliche Persönlichkeit, sein Beten und seine Liebe zu seinen Pfarrkindern, sein leutseliges und bescheidenes Wesen und seine stets gleich bleibende Milde. Was er hier in unserer Mitte dereinst war, ist er sicherlich noch heute: Beter und Helfer für seine Pfarrgemeinde. Auch wir beten für ihn.

Wir schreiten zu den Gräbern unserer Eltern, Großeltern und Verwandten. Lange stehen wir sinnend und betend. Wir schämen uns der Tränen heute nicht. Lebt wohl, ihr Lieben! Der Abschied von euren Gräbern ist uns das Schwerste. Eure Leiber mögen hier weiterhin ruhen in der geweihten Heimatscholle, die ihr euer Leben lang auf dem Heimatboden gearbeitet habt. Für eure Seelen aber beten wir weiter wie bisher. Das versprechen wir. Und euer Gebet begleite uns auf der Wanderung in die neue Heimat!