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Dechant Barenkamp

In den Erinnerungsblättern unserer Heimat darf das Lebensbild unseres früheren Pfarrers Johannes Barenkamp einen Ehrenplatz beanspruchen. Ich möchte nicht eigentlich sein priesterliches Wirken schildern; denn was er als Seelsorger gegeben hat, ist tief hineingesenkt in das Herz der einzelnen. Wenn von irgendeinem, dann gilt von ihm und seinem Priesterwirken das Bibelwort: „Es fiel auf guten Boden und brachte viel Frucht.“ Aber einige persönliche Erinnerungen will ich hier wiedergeben. Zugleich als ein kleines Dankeszeugnis an unseren geliebten Pfarrer. Als Kamerar hatte Pfarrer Barenkamp eine jährliche Revisionsreise zu den Kirchen und Pfarrhäusern des Hümmlings zu machen. Ich erinnere mich der sorgenvollen Blicke meiner Eltern, als ich mich zum erstenmal als Kutscher auf den Bock unseres Jagdwagens schwang. Die meisten Gemeinden waren damals ja nur zu Fuß oder mit dem Wagen zu erreichen. Wird der Herr Pastor einem „latinischen“ Fuhrmann sein Heil anvertrauen? Und als ich eines Tages gar einen jungen Fuchs (Hannoveraner) vor den leichten Jagdwagen spannte, da stand schon etwas mehr wie Sorge in den Augen meiner Mutter. Doch Pastor Barenkamp stieg ohne weitere Umstände ein. Es ging in den drei Tagen der Fahrt auch alles gut, bis am Schluß der Fahrt das Verhängnis „den Överende“ herunter nahte: hier endete die Tour in einem mächtigen Galopp bis in „den Schlingende“ hinein. Pastor Barenkamp behielt seine Ruhe, nur etwas bleich sah er aus; ich wahrscheinlich noch viel bleicher. Zum „latinischen“ Fuhrmann hatte Pastor Barenkamp mich gemacht. Seit dem 13. Lebensjahr wanderte ich dreimal in der Woche zu unseres Pastors Wohnung, und nach 11/4 Jahren konnte ich, die ersten drei Klassen überspringend, in die Untertertia in Meppen aufgenommen werden.

Das war eine pädagogische Glanzleistung von seiner Seite. Nachdem nun einmal die Bresche geschlagen war, sind auch noch andere meinem Beispiele gefolgt,. Auf dem Bilde, das Pastor Barenkamp scherzend „die Wahner Akademie“ nannte, sind seine vier ersten Zöglinge um ihn geschart: außer mir sind es Johannes Thomes, Margarete Möhlenkamp und Hermann Bergmann. Wir alle sind unserem verehrten Pfarrer von Herzen dankbar. Wir alle bewunderten auch seine stets gleichbleibende Ruhe und Unverdrossenheit in allen Stunden. Pfarrer Barenkamps Wirken war ein allseitiges Helfen und Dienen. Z.B. im großen Brandjahr war das Pfarrhaus Mittelpunkt der zahlreichen Hilfsmaßnahmen. Unsern Pfarrer konnte man in jenen Tagen in manch ungewöhnlicher Situation erblicken. Das Pfarrhaus selbst wie auch die Kirche blieben damals vom Feuer verschont. Den Neubau der Kirche sah er als eine große Lebensaufgabe vor sich. Mit zäher Ausdauer und menschlicher Einfühlung hat er den Gedanken eines Neubaues verfolgt. Immer größer wurden die Summen, die er zu beschaffen wußte. Das Beispiel des eigenen Opfers wirkte nachhaltig. Leider erlebte er nicht mehr die Freude, das neue Gotteshaus erstehen zu sehen. Der Ausbruch des Weltkrieges und die beginnende Entwertung schoben die schon in greifbare Nähe gerückte Ausführung wieder in die Ferne. Wenn man aber heute die weiten, lichten Räume des neuen Gotteshauses und die feine Linienführung einzelner Formteile uneingeschränkt bewundert, so zollt man ein Lob unserm ehemaligen Pfarrer, der die künstlerische Gestaltung im Zusammenwirken mit dem Architekten Wartenberg entscheidend beeinflußt hat. Durch die Tatkraft des jetzigen Pfarrers Reckers und den Opfergeist und Wagemut der Wahner Bürger konnte der Neubau in den Jahren 1922/23 durchgeführt werden.

Der Neubau einer Kirche erfordert nicht nur die hingebende Begeisterung einer Priesterseele, sondern auch einen wirtschaftlichen Weitblick. Ja, auch in dieser Hinsicht war Pfarrer Barenkamp ein Helfer seiner Gemeinde. Wie oft erhielt ich nach beendeter Unterrichtsstunde den Auftrag: „Geh bitte zu Thomes, Gehrs usw. und sag, daß morgen abend bei mir Vorstandssitzung der Molkereigenossenschaft (bzw. des Konsumsvereins oder der Spar- und Darlehnskasse) sei.“ Unermüdlich war er um das Wohl seiner Wahner bemüht. Auch der große „Raiffeisen-Verband ländlicher Genossenschaften“ erkannte seine wertvolle Arbeit an und übertrug ihm eine Bezirksleitung. Diesen wirtschaftlichen Fähigkeiten unseres Pfarrers standen künstlerische Neigungen zur Seite.

Er war ein glänzender Zeichner. Wenn in den Privatstunden zuweilen stockende Augenblicke eintraten, dann griff er zum Bleistift, und in wenigen Strichen wurde ein kleiner Charakterkopf auf irgendeinen Fetzen Papier geworfen. Er hat mir auch später einmal eine Sammlung seiner Federzeichnungen gezeigt. In der großen Tageszeitung „Germania“ sind auch einige seiner Gedichte veröffentlicht worden. Auch die schön gegliederte Aufteilung des neuen Friedhofs beruht auf seinem Plan. Auf diesem Friedhof hat er auch seine letzte Ruhestätte gefunden. Schon im Sommer 1917 hätte ihn beinahe das Todesschicksal ereilt. Eine leichte Granate, ein Fehlschuß von dem Kruppschen Schießplatz in Meppen, durchschlug das Dach des Pfarrhauses und eine Wand seines Arbeitszimmers. In der Küche wurde einem Ferienkind ein Bein durchschlagen. Barenkamp selbst erhielt nur einige Schrammen am Kopf. Als die Leute zusammenströmten, meinten einige, die nicht seine vaterländische Haltung in allem teilten: „Ob nicht jetzt sein unentwegtes Durchhalten bis zum Endsieg einen Knacks weggekriegt hat?“ Doch diese irrten sich. Es zeugt auch für den gesunden Humor dieses Mannes, daß der Aktenschrank, den die Firma Krupp ihm ersetzte, auf seine Anregung hin als Ornament mehrere geschnitzte Granaten erhielt. Pfarrer Barenkamp ist ein Opfer des Krieges geworden. Seine Schwester war schon einige Jahre vorher gestorben. Die Keime derselben heimtückischen Krankheit trug auch er in sich. Man machte ihn aufmerksam, daß er eine bessere Ernährung benötige. Aber seine Haushälterin hatte strikte Anweisung, alle Gaben, die über das gesetzliche Maß der Kriegszeit hinausgingen, abzuweisen. So vaterländisch war er gesinnt, und so gewissenhaft war sein Denken. Der Körper wurde immer mehr geschwächt. Mit bewundernswerter Geduld ertrug er sein Leiden. Er starb am 21. März 1919. Beinahe 25 Jahre, bis zum 59. Lebensjahre, hat er in vorbildlich priesterlichem Geiste in Wahn gewirkt. Sein Andenken wird bei seinen Pfarrkindern nicht erlöschen. Wenn sie auch sein Grab nicht mehr besuchen können, im Gebete werden sie des edlen Priesters und ihres treuen Seelenhirten auch in der Ferne gedenken.