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Die alte Antoniuskapelle

Eine Urkunde, die auch für die Kirchenhistoriker von Bedeutung sein dürfte
Holger Lemmermann

Die alte St. Antoniuskapelle Wahn (erbaut 1746 – abgerissen 1922) Das Chor wurde abgerissen, der Turm blieb Eingang zur neuen Kirche.

Wahn. Im Archiv der Pfarrei Sögel wurde vor kurzer Zeit vom Verfasser eine Urkunde gefunden, die nicht nur für die Freunde des untergegangenen Dorfes Wahn von Interesse sein dürfte, sondern auch für die Kirchenhistoriker von Bedeutung ist. Es handelt sich bei dieser Urkunde vom 8. März 1716 um den Bericht des Wahner Kapellenvorstehers Johann Lengermann über die Geschichte der Wahner Kapelle, soweit sie ihm durch die Erzählungen alter Leute und aus eigenem Erleben bekannt war Und das ist zum Teil mehr, als die Historiker unserer Tage zu ermitteln imstande waren.

Der Hauptteil des Berichtes beschäftigt sich mit der Wiederherrichtung und Weihe der Kapelle im Jahre 1667. Das Wahner Gotteshaus blickte zu diesem Zeitpunkt auf ein Alter von wahrscheinlich mehr als 150 Jahren zurück und war während dieser Zeit, nicht zuletzt durch die Ungunst der religiösen Verhältnisse, baufällig geworden. Als der Fürstbischof von Münster, Christoph Bernard Freiherr von Galen(1650- 78), auf einer Reise durch den Hümmling vom Sögeler Pastor Johannes Gökener auf die alte Kapelle in Wahn aufmerksam wurde, entschloss er sich, diese reparieren zu lassen und neu zu weihen. Während die Einwohner Wahns vorher einen langen Weg zur Kirche in Sögel zurückzulegen hatten, konnten nun vom Jahre 1667 an regelmäßige monatliche Gottesdienste des Sögeler Pfarrers in der Wahner Kapelle stattfinden.

Das vom Fürstbischof Christoph Bernard mit einer Glocke verschönte alte Gotteshaus erfüllte noch mehr als 70 Jahre seine Bestimmung, bis es 1744 abgebrochen wurde, um einer neuen Kapelle, die im Gegensatz zur alten mitten im Dorfe errichtet wurde, Platz zu machen. Die für die Kirchengeschichte des Hümmlinger Dorfes wichtigsten Erkenntnisse, die sich aus dem Bericht von 1716 ergeben, sind folgende:

  • Die Antoniuskapelle in Wahn wurde im Jahre 1667 wiederhergestellt und geweiht (nicht 1650, wie B. Holtmann, Das Dekanat Hümmling, S. 107, angibt). Erst von diesem Zeitpunkt an fanden regelmäßige Gottesdienste in der Kapelle statt.
  • Der Kirchenpatron der Wahner Kapelle war St. Antonius. (So auch Holtmann, a.a.O.) Valentin, von einigen Autoren als Patron Wahns angegeben; war der Tag der Kapellenweihe.
  • Im Jahre 1’670 wurde die Kapelle um ein Dritte l erweitert. Abgesehen von den nüchternen Fakten ist dieser Bericht so lebendig und eindringlich geschrieben, dass auch der heutige Leser sich eines Mitgefühls mit den Nöten wie mit den Freuden jener so fern liegenden Zeit kaum enthalten kann.

Kund und zu wissen sei hiermit. ..

Im Nahmen Der allerheyligsten Dreyfaltigkeit Amen.Kund und zu wissen sey Hiermit Jedermänniglichen, daß im Jahr, nach der Heilsahmen, und gnadenreichen unsers Einigen Erlösers, und Sähligmachers Jesu Christi geburt, da man zählte, Ein Tausend siebenhundert, zehen, und sechs, den 8tentag Monats Martii, gekommen und Erschienen ist, der Ehr und Achtbahrnn Meistemn Johan Lengermann, und Reinharten Püngell, alß Jetzigen provisoren der CapelIen zu Wahden, sagten und bekannten öffentlich, warumb, und auß waß ursachen, unsere Vorvatteren oder Voreltern, die 12 diensten (= Gottesdienste) Jahrliches, und alle Jahren, consequentelich begehret haben, an die Capellen zu Wahden,p.

Erstlich Im Anno 1647 d. 10. May ist dieses dörff Wahden beynahe leider Gottes, gantz und gahr auffgebrand, und in die äsche gelegt worden. Vor diesen vorab geschriebenen brand, seind in hiesig dörpff Wahden, noch 4 unterschiedliche brande gewesen an Häusernn.

A° 1664 d. 8. ten Tag Vor Sancte Jacobi, ist Wahden dergestalt leider Gottes, der drittetheil auffgebrand.

Anno 1666 drey Wochen Nach May, auffm Mittwochen ist zu Wahden leider Gottes, auffm Esche, die früchten Vom HageIl zerschmettert und zerschlagen worden, daß das Winterroggenland allejahr Wiederümb gepflüget ist worden, und Buchweitzen daruff gesäet, daß Gott Erbarme, so daß die Arme Haußmann Lamentirten und klageten, Wegen Obgemelten Ungelücken

Im selbigen Jahr Kam Ihro Hochfürstl: Gnaden, Christopff: Bernard: zu Sögell und unsere pastor Joannes Goekener gab Ihro Hochfürstl: Gnaden zu Verstehen, daß im dörpff Wahden, wie Obengemelt solche ungelücken seind gewesen und daß alda eine alte baufellige Capelle Währe. AIß aber Ihro hochfürstl: gnad.: Verstanden hätte, Vom H: pastoren wie Eben gemelt, so sändte er seinen geistl: Vatter Mit unsernn Herrnn Pastornn nacher Wahden, ümb die baufellige Capelle in augenschein zu Nehmen, dieselbige ließen etzliche Von die alten Männer auß der Gemeinheit zu sahmen beruffen und fragten ihnen, Warümb sie so baufellig gworden were. Die gaben zur antwort, daß ihre Voreltern gesagt hetten, daß der Capelle mit einem gewelfft (= Gewölbe) War gewesen, und daß alle vormals dienste darin gethann und gehaltnniß worden, aber daß sie Jetzunder, wie zu sehen bauwfellig ist, und ein pahr Volck darein gewohnet haben, zur Krieges Empörung, alß damalß luterisch war, und die hätten einne gatt (= Loch) oben in daß gewelfft gemachet, auff daß der Rauch dürch ziehen könte. Sie aber frageten nach die interesse oder auffkümpffte (= Einkünfte) der CapelIen, aber kein Man wiste darvon zu sagen.

Also befahl Ihro hochfürstl: Gnd: sie sollen die CapelIen wiederum reparieren und auffbauwen, und Ihro Hochfürstl: Gnd: gab die Klocke darin.

Daß Volgende Jahr 1667 haben die gemeinheit Wahden die Capelle Wiedrümb auff repariert, und Machen einen boden Von lehm darauff, also schrieb unser H: pastor Nacher Osnab: daß der Capelle möchte geweyhet werden, also kam Von Osnab: eine Commission, am H: Dechanten zu Bueckell Eberhardt geheißen, daßer der Capelle zu Wahden wölle Benediciiren oder Weyhen, die kam mit dem H: pastoren Von Hasellünne,dem H: pastornn Von Berssen, und dem H: pastor von Werelte, und unser H: pastor Von SögelI, und ist der Capelle geweyhet worden, und der Herr Dechant thäte so gleich Misse darein, alß aber der dienst gehtaen ist word, so befahl die gemeinheit, sie sollen die Capelle in esse (= in gutem Zustand) und Ehren halten, und den patron: abatis feyern, und halten, gleich den Sontag. Dabeneben auch der Kirchwey Valentinus, auch also. Hernacher aber gingen die geistl. H (erren) nach Claeß hauß und hielten alda Mahlzeit, so kamen die gemeinheit zusahmen und machen einen Überschlag, daß sie alle Monaten Verfolglich darin in der Capelien einen dienst haben walten. So macheten sie etzliche Vollmächtigen auß der gemeinheit, alß nemblich Claeß Langen, Henrich Püngel, Hemmeke Bergmann, Thomas Noortman, Henrich Bruning, Claes Eilers, Herman Lengerman, dieselbige fördern unseren H: pastornn, er möchte ein wort hören und sagten sie hätten miteinander apgesprochen und einen Voerschlag gemachet, daß sie alle Monaten Verfolglich einen dienst darin haben walten, also accordiren sie mit dem Herrnn pastoren, in gegenwart deß H: Dechanten pro Jede Monate 131/2 str. (= Stüber) und den Cüsterrn 6 str. Den patronentag und Kirchwyh sollen sie dem H pastorn und Küsternn Eßen und Trinken geben und seine interesse oder gebühr darzu. Nach Verlauff 3 Jahren Ward der Capelle den dritten Theil größer gemachet. Damals müsten wir auffes new mit dem H: pastoren accordiren, und er gab die gemeinheit zu Erkennen daß er mehr haben müste, daß die interesse zu klein Währ, und eß wird Veraccordirt auff 18 str und dem Cüster 6 str. und demH: pastornn gaben sie allemahl sein gelt Vor die diensten.

Daß ich dieses wie Oben geschrieben ist auß Meister Johan Lengermans Munde gehöret, ein sölches attestiere Ich Joes Dräpper mpp.