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Dorfleben im Kirchenjahr

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Der Palmsonntag machte wieder einmal die Kinder so „bliede“. Die Herstellung der „Palmbässen“ erfordert eine gewisse Fertigkeit. An der Spitze des geschälten Weidenstockes wird ein Buchsbaumbüschel mit Hilfe einer gespaltenen, geschälten Weide befestigt, die dann sorgfältig um den Weidenstock gewickelt wird. Manchmal wird ein rotbackiger Apfel mit eingeflochten. Die „Krüspalmbässen“ enden in einem Kreuz mit drei Buchsbaumbüscheln und sind in dem Schnittpunkt des Kreuzes zur Festigung besonders kunstvoll yerschlungen. Stolz trägt jedes Kind ein Bündel dieser schönen weißen Stöcke zur Weihe in die Kirche. Und dann werden sie hinausgetragen. Der Herr Pastor und der Herr Lehrer erhalten einen „Krüspalmbässen“, und das Kind nimmt ein feines Andachtsbildchen dafür in Empfang. Die anderen Palmstöcke werden zu den Verwandten, Bekannten und Nachbarn getragen mit dem  Wort: „Ick wull Iu wol ’nen Palmbässen brengen“. Als Gegengabe wandern in die offengehaltene Mütze einige Eier hinein. Wenn im Hochsommer ein Gewitter über das Dorf zog, holte die Mutter einen Palmstock herbei. Die Großen waren auf dem Felde. Das Wetter wurde unheimlich drückend und dunkel. Die Mutter lief zur Diele, um das Kuhvieh loszuketten, soweit es im Hause war, und es in den großen weiten Stall, den früheren „Schafkowen“, zu führen. „Warum, Mutter, tust du das?“ „Kind, wenn der Blitz einschlagen sollte, dann geht alles manchmal so schnell, dass wir keine Zeit mehr haben, die wild werdenden Tiere von den Ketten frei zu machen.“ Und das Kind erinnerte sich dann, wie der Vater einmal geschildert hatte, dass bei dem großen Brande im Jahre 1900 einige Tiere lebendig an den Ketten verbrennen mussten.

„Nun, Kinder, zieht einen guten Rock an!“ „Warum, Mutter?“ „Wenn es brennen sollte und wir das Haus schnellstens verlassen müssen, dann habt ihr wenigstens etwas Ordentliches am Leibe.“ Mutter mit den Kindern setzte sich um den Tisch, um zu beten. Nicht um den Herd unter dem Kamin; denn oft habe es am Schornstein „eingeschlagen“, so hörten  wir wohl. Der Palmstock wurde auf die warme Herdplatte gelegt; der geweihte Buchsbaum begann zu schwelen – wie in der Kirche die Kohle im Rauchfass – zur Bitte an Gott. Eine geweihte Kerze wurde auf den Tisch gestellt und angezündet. Die Kinder aber beteten mit der Mutter tief ergriffen die Allerheiligenlitanei. „Vor Feuersbrunst, Hunger und Krieg, bewahre uns, 0 Herr!“ In der Karwoche kamen besonders die Buben und die Messdiener zur Geltung. Im Anfang der Woche hört man schon in einzelnen Häusern ein Klappern. Die Dorf jungen probieren ihre „Klappern“ oder Rascheln aus. Am Gründonnerstag verstummen die Glocken. Jetzt sind die Tage der „Klappern“. Am alten „Hilligenhüsken“ oder neuerdings auf dem Schulplatz versammeln sich die Buben von 5 bis 14 Jahren. In Reih und Glied unter dem Takt der Klappern geht’s durchs Dorf. Wehe, wer nicht im Takt bleibt!

Die Großen als „Ordner-Pietsker“ dulden so etwas nicht und zeigen drohend die Rute. Um genau 12 Uhr müssen wir beim Pfarrhaus sein. Dort geschah unter Anwendung aller Kräfte das „Engel-des-Herrn-Iäuten“, bis unser Herr Pastor Barenkamp lächelnd aus der Tür tritt, seine Anerkennung ausspricht und einen Regen von Bonbons über unsere Köpfe schleuderte. Gab das ein Durcheinander von Knabenbeinen und Händen, die nach den Kostbarkeiten in der Luft und auf dem Erdboden gierig griffen! Vor dem Hause unseres Herrn Lehrers Kramer wiederholt es sich in ähnlicher Weise. In neuerer Zeit, so höre ich, zogen die Knaben auch zu den Häusern der Kaufleute, um auch dort eine Bonbonernte zu „erklappern“. So schlau waren wir damals noch nicht gewesen! Beim Herrn Pastor aber gab es neuerdings ein feines Bild. Am Abend wurden die Gläubigen durch die Klapperer an den Beginn der Abendandacht erinnert. Am Karfreitag zog es manche der Erwachsenen zur „Kreuztracht“ in Meppen. Ergriffen kehrten sie heim und  erzählten von der großen Zahl der Beter, die in tiefer Andacht dem kreuztragenden Christusdarsteller durch die Straßen der Stadt folgten. Am Karsamstag holte man Weihwasser aus der Kirche. Die Mädchen achteten das Jahr hindurch darauf, dass in jedem Schlafzimmer das Weihwasserbecken mit dem geweihten Wasser gefüllt war; und beim Krankenversehgang stand das Weihwasser mit dem geweihten Buchsbaumsträußchen auf dem Versehtisch.