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Dorfleben im Kirchenjahr

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Am ersten Ostertage gab es eine wertvolle fromme Gewohnheit: In der Frühe des Ostermorgens, eine halbe Stunde und mehr vor der Auferstehungsmesse, waren viele Erwachsene schon bei der Kirche. Sie gingen schweigend über die Wege des „Kirchhofs“, des Friedhofs rund um die Kirche, (der neue Friedhof war damals noch nicht angelegt) und beteten für die selige Auferstehung ihrer Toten, die hier gebettet lagen. Tiefer Ernst lag auf allen Gesichtern beim Gedanken an die Verstorbenen. Aber der Auferstehungsmorgen legte darüber so viel Friede und freudige Hoffnung! „Paosken“ ist wiederum ein Freudentag der Kleinen. Wie anderwärts kennen sie auch hier den Osterhasen. An den Nachmittagen der beiden Festtage aber ziehen sie in Gruppen zum Mühlenberg, zum Kohlenberg, um „Eier zu kollern“ und „Eier zu picken“.

Den Weißen Sonntag mit der jährlichen Kommunionfeier und der eigenen Erstkommunion wird sicherlich niemand vergessen. Auch das Gelöbnis nicht: „Fest soll mein Taufbund immer stehn!“ Mögen die Wahner nunmehr auch zum Teil in anders gearteter Umgebung, in der Diaspora und anderwärts leben, die Treue des Weißen Sonntags werden sie sicherlich alle  halten bis zu ihrem letzten Weißen Sonntag am Lebensende. An den Bittagen ging die Prozession durch den frischgrünenden Esch. Gebete und Lieder lagen traditionell fest. War es Zufall oder aus  schelmischer Absicht entstanden, dass an einem recht „schroen“ Acker jedes Jahr der Gesang wiederkehrte: „Hier in diesem Jammertal…“? Am neueren „Hilligenhüsken“ mit der Pietadarstellung wurde Halt gemacht zu besonderen Gebeten. Hier ist der Platz, wo ehedem die “ Tennschüre“ stand. Die Äcker dort tragen heute noch diesen Namen. In der „Tennschüre“ wurden die Garben zusammengefahren, die als „Zehnter“ abgabepflichtig waren. Hier, am Mittelpunkt des Esches, Wurde insbesondere der Segen Gottes für die Saaten ringsum erfleht. Vier Jungfrauen der Marianischen Kongregation hatten die Ehre, auf ihren Schultern die in blaue Seide gekleidete Statue der Gottesmutter inmitten der Prozession zu tragen.

In den Tagen vor Fronleichnam bereitete sich schon die Festtagsstimmung vor, wenn die Birkenreiser geholt  wurden. Die Nachbarschaften hatten sich zusammengetan, um „ihren“ Bogen fertig zu machen und aufzustellen. Wie waren doch die Prozessionsstraßen und Wege mit Bogen und Girlanden reich eingefasst und die Straßen mit Blumenbeeten geschmückt, wie ich es in der Fülle nirgendwo sonst angetroffen habe. Welch kunstvolle Blumenkronen konnten die Frauenhände anfertigen! Mit bunten Bändern wurden die Kronen in der Mitte unter dem Bogen aufgehängt. Unvergesslich ist uns die Prozession selber mit den vier Altären an den Häusern Oldiges, Bergmann, Thomes-Dierkes und Schwake. Hier und dort am Prozessionsweg kniete an einem der Bogen wohl ein 5jähriges Kind als weißes Engelchen und schellte leise, während auf einem Tischchen daneben auf glühender Kohle der Weihrauch duftete. Werden alle Wahner an ihren neuen Plätzen solche Fronleichnamstage wieder erleben? Wohl kaum. Wie mussten wir Buben abends aufpassen, wenn wir das Vieh zum Stalle zurückholten, dass es nicht mit den Hörnern die Pracht der Bogen schon am ersten oder zweiten Tage zerstörte! Jeder Sonntag des Kirchenjahres war den Wahnern ein „Tag des Herrn“. Nicht nur einmal, sondern zweimal oder dreimal ging es zur Kirche.  Zusammenklingen von Glaube und Heimat zeigte. Es wohnten ja auch alle in dem geschlossenen Dorf so nahe bei der Kirche. Wie gerne lenkten an den Werktagen vor allem die alten Leute ihre Schritte langsam zur Kirche. Und wir Kinder mussten natürlich auch zur täglichen hl. Messe gehen. Wisst ihr noch, ehemalige Schulkameraden, dass wir großen Knaben an den Werktagen „der Orgel den Balg zu treten“ hatten. Aus Schläfrigkeit oder Unachtsamkeit hörte das Treten der Beine wohl mal auf; dann sank die Säule in dem Luftdruckmesser vor unsern Augen schnell hinab, und auf einmal hörte die Orgel mit eigenartig klagendem Ton mitten im Lied auf!