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Dorfleben im Kirchenjahr

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Heimatdorf, ich sehe dich noch vor mir. Dicht nebeneinander standen deine Häuser. In der Mitte die Kirche. Im engen Dorf gab es kein Alleinsein der Kinder. Immer war es eine feine Gemeinschaft beim Spiel. Beim Versteckspielen der Kleinen, beim Ballspiel der Mädchen, beim Knickern der Knaben. Und – heißa! – im Herbst ging’s hinaus auf die kahlen Felder, um die Drachen in die Lüfte steigen zu lassen. Und wisst ihr es noch, Kameraden, wie es zur Zeit der Bickbeerenernte an den Sonntagnachmittagen hinausging in den Bickbeerwald? Nicht nur, um die „Tonne des eigenen Bäuchleins“ zu füllen; sondern noch mehr reizte: dann gab es Kämpfe mit der Werpeloher Jugend. Dann ordneten sich die großen Knaben zur langen Schlachtreihe, mit Knüppeln bewaffnet, um die besten Pflückplätze für das eigene Dorf zu verteidigen oder zu erobern. War das auch eine selige Zeit der Knabenherrlichkeit, da wir in den Wäldern die „Stricker“ in langen Reihen setzten zum Fang der Krammetsvögel, die durch die roten Beeren angelockt wurden und in den Pferdehaarschlingen ihr Leben lassen mussten. Wochenlang vorher beim Viehhüten wurden die Stricker verfertigt. Der eine hatte 100, ein anderer gar 200. Mit welcher Spannung schritt man jeden Morgen an den langen Reihen der Stricker im Tannenwald entlang. Wie stolz war der Knabe, wenn er für jeden gefangenen Vogel zwei Groschen in die Tasche streichen konnte. Wie stolz auch, wenn er von der Kibitzstreife zurückkehrte, die entleerten bunten Eier auf einen langen Faden zog und stolz im Hause an der Wand aufhing! In der Mitte des Dorfes steht die Kirche. Wie um die Henne die Kücklein, so scharen sich die Wohnungen um das Haus Gottes. Wie oft ging dorthin unser Weg! Täglich ging es zur hl. Messe. Unten in der alten Kirche stand der Taufstein. In der neuen Kirche hat er einen würdigen Platz in einer Seitenkapelle gefunden. An diesem Taufstein wurden wir getauft. Hier lag der Anfang der langen Reihe von Gnaden und Gnadenstunden in der Kirche bis zur Erstkommunion und Firmung. Der feine Barockaltar mit den schweren Säulen und dem kunstvollen Baldachin zog unsere ehrfürchtigen Blicke auf sich. Das Altarbild aber blieb mir in Kindesjahren lange ein Rätsel, bis unser Herr Pfarrer es uns erklärte: Der heilige Einsiedler Antonius, unser Kirchenpatron, fand in der ägyptischen Wüste den noch älteren, ersten Einsiedler, den hl. Paulus (von Theben). So sind beide Heiligen auf dem Bilde vereint. Sie unterhalten sich über göttliche Dinge. Aus der Höhe aber schwebt ein Rabe auf sie zu, der in seinem Schnabel ein Brot trägt. In  Ermangelung der Palmfrüchte brachte auf Gottes Geheiß der Rabe seit vielen Jahren dem hl. Paulus ein halbes Brot zur Nahrung. Jetzt aber bringt er ein ganzes, damit beide heiligen Einsiedler genährt werden. Dankbar strecken die Heiligen ihre Hände empor, um die Gottesgabe in Empfang zu nehmen. Von jetzt an bekam das Altarbild Sinn und Leben für uns. Vor allem von der Erstkommunionzeit an wurde es zum ständigen Hinweis auf die wunderbare Engelspeise der hl. Kommunion.